Erschienen in Aiki News #93, Herbst 1992 unter dem Titel ‘Television: Window to Violence’.
Ich war kürzlich für zwei Wochen in Los Angeles, um meine Familie zu besuchen. In den Gegenden, die ich besuchte, fand ich keine sichtbaren Spuren der jüngsten Unruhen vor. Obwohl das Wetter ungewöhnlich heiß und schwül war, schien das Leben in L.A. seinen gewohnten Gang zu gehen. Um mich wieder mit meiner eigenen Kultur zu "verbinden", habe ich im Haus meiner Eltern einige Stunden ferngesehen, etwas, das ich in Japan nie tat. Ich begann über einige der typischen Muster des normalen Alltagslebens in den USA nachzudenken und die Rolle, welche das Fernsehen dabei spielt. Millionen Amerikaner folgen ungefähr folgender täglicher Routine: Nachdem die Leute aufgestanden sind, wird zuallererst der Fernseher eingeschaltet. Den Tag über verbringen sie bei der Arbeit, während die Kinder in der Schule sind. Sie kommen abends müde nach Hause und schalten den Fernseher ein. Am Abend wird dann das Essen vorbereitet, welches verzehrt wird, während die Augen aller Beteiligten am Fernseher kleben. Die "Röhre" bleibt auch der Gesellschafter, bis es Zeit ist ins Bett zu gehen. In manchen Haushalten ist das Fernsehgerät tatsächlich kontinuierlich eingeschaltet, nur um der Hintergrundgeräusche willen.
Amerikas beliebtestes Unterhaltungsmedium war mit Sicherheit einer der wichtigsten Faktoren, der die Geister seiner Bürger in den letzten 40 Jahren geformt hat. Anfang der 1950er Jahre war ich Mitglied der ersten Fernsehgeneration und war schon in jungem Alter geködert worden. Kinder sind leise und stören nicht, solange sie hypnotisiert vor dem Schirm sitzen und unsere Eltern haben schnell entdeckt, dass dies der billigste aller Babysitter war. Das Fernsehen hat unsere Denkweise beeinflusst, unser Handeln, selbst unsere Ernährungsgewohnheiten. Und es tut dies noch immer.
Zusätzlich zu den traditionellen Sendern, die wir in unserer Jugend sahen, haben die heute jungen Generationen eine unglaubliche Auswahl an Kabelsendern und Videokassetten. Sogenannte "Actionfilme" sind insbesondere unter jungen Männern der klare Favorit. Das Thema dieser Filme ist gemäß ihrem Namen die Darstellung verschiedener Grade an Gewalt. Tatsächlich beinhaltet der größte Teil der heute erfolgreichen Filme ein Maß an Gewaltdarstellungen, welches für die früheren Generationen von Amerikanern undenkbar gewesen wäre. Die Opfer können kaum mehr gezählt werden und die blutigen Darstellungen haben einen Punkt erreicht, an dem man sich kaum noch vorstellen kann, dass die Filmemacher die Extreme noch steigern können.
Ein anderer Grund zur Sorge ist der wortwörtlich kinderleichte Zugang zu diesen grausigen, allein durch einen Knopfdruck am TV und vielleicht einen zweiten am Videorekorder. Die meisten verantwortungsbewussten Eltern schrecken bei diesem Gedanken auf, versäumen es aber, den Zugang ihrer Kinder zu diesen Filmen zu kontrollieren.
Die Charaktere der Produktionen aus den 80ern und 90ern unterscheiden sich von denen früherer Generationen. Viele der heutigen Figuren sind aggressive Individuen, die ohne Zögern zur Gewalt greifen, um ihre Ziele zu erreichen. Oft töten sie im Verlauf eines Films so viele Feinde, dass der Akt der Zerstörung für den Zuschauer bedeutungslos wird. Selbst der Mut der Hauptdarsteller wird derartig fantastisch übertrieben, dass sie nur mehr wie Comic-Darsteller wirken.
Die Superhelden teilen sich das Rampenlicht mit den anderen Protagonisten, die man unter dem Titel "Antihelden" zusammenfassen kann. Darunter fallen Monster, Gangster, Massenmörder und andere Asoziale, deren Taten und Emotionen den Bildschirm füllen, um von den Zuschauern konsumiert zu werden. Es ist schwierig irgend etwas Nachahmenswertes [...] in Filmen zu finden, in denen so unattraktive Typen dargestellt werden; dennoch haben viele dieser Filme finanziellen Erfolg.
Bedenkt man die zentrale Rolle des Fernsehens und seines Begleiters Videogerät, die derartige Unterhaltung in Millionen Haushalte übertragen, so ist es eine logische Folge, dass die täglich über den Schirm flimmernden Bilder einen Effekt auf den einzelnen Betrachter, wie auch auf die Nation als Ganzes haben. Tatsächlich haben viele Studien in den letzten Jahren nahe gelegt, dass von Gewalt geprägte Verhaltensmuster auf Bilder und Szenen in Fernseh- und Kinofilmen zurückgeführt werden können. Analytiker streiten darüber, bei wem die Schuld für diesen Zustand zu suchen ist, der - wie beinahe jeder zugibt - zu bedauern ist. Einige beschuldigen die Produzenten der gewaltverherrlichenden Filme, welche sich wiederum selbstgefällig verteidigen, sie gäben dem Publikums nur wonach es verlange.
Ich neige dazu anzunehmen, dass der Geschmack der passiven Amerikaner hochgradig konditioniert wurde und dass die Mehrheit somit in die Lage versetzt wurde, ziemlich übles Zeug zu verdauen, weil es in der Form einer Produktion mit großem Budget daherkommt. Mit ist kein Protest oder Trend gegen Gewalt im Fernsehen bekannt, der nennenswerten Erfolg hätte und ich fürchte, dass künftige Generationen auf die gleiche Weise mit Rationen dieser Kost versorgt werden.
Vor einigen Jahren entschied ich mich keine Filme mit ausufernder mutwilliger Gewalt mehr anzuschauen. Der negative Einfluss, den die Gewaltdarstellungen in diesen Filmen haben, übertrifft für mich zu offenkundig jeden möglichen Unterhaltungs- oder Inspirationswert, den sie ansonsten haben mögen. Es war mir zudem nicht möglich zu ermessen, welchen Effekt eine solche Stimulation auf das Unterbewusstsein haben würde.
Die Diskussion, ob es eine belegbare Korrelation zwischen Bildschirmgewalt und der Imitation von Gewalt gibt, ist in gewissem Sinne akademisch. Die Tatsache, dass sich Zuschauer regelmäßig Gewaltszenen aussetzen wird selbstverständlich ihre Akzeptanz von gewalttätigem Verhalten beeinflussen, wenn allein durch Gewöhnung. Obwohl die Kriminalitätsraten in allen großen Städten dieses Landes stetig ansteigen, sind die Bürger desensibilisiert, solange bis sie das Unglück haben, ein Opfer dieser Gewalt zu werden.
Zwang und Gewalt in ihren vielen Erscheinungsformen sind in vielen Kulturen dieser Welt die bevorzugten Mittel, um schnell ein erklärtes Ziel zu erreichen. Trotz der Fassade einer geordneten Gesellschaft und der menschlichen Vernunft, schlittert der Mensch allzu leicht in gewalttätige Verhaltensmuster und fällt so auf das Niveau zurück, auf welchem sich die anderen Kreaturen dieser Erde bewegen, unter denen der Kampf um das Überleben des Stärksten ausgefochten wird. Unser Ziel als Aikidoka ist, uns gegen diese mächtigen Instinkte zu wappnen und sie in konstruktives Verhalten zugunsten des Friedens umzuwandeln.
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