Erschienen in Aiki News #53 (March 1983) unter dem Titel 'Muscles and Aikido'.
Der folgende Artikel wurde durch die freundliche Unterstützung von Natan Cheifetz ermöglicht.
Während der Jahre, in denen ich mich mit dem Aikido befasse, habe ich, wahrscheinlich unbewusst, über vielerlei Dinge im Zusammenhang mit dieser Kunst geistig Buch (manches davon waren nur Eindrücke) geführt.
Ein sich wiederholender Eintrag in meinem zerebralen Kritzelblock hat mit der Anzahl an Leuten zu tun, die körperlich ziemlich stark sind. Manche haben die körperliche Kraft durch Jahre fleißigen Trainings erworben und vielleicht auch durch eine Diät; andere wiederum haben schon vor dem Training dieser Kampfkunst ihre körperlichen Vorsprünge erarbeitet.
Ich bemerke zum Beispiel, dass die neueste Schülergruppe am Hombu-Dojo größtenteils aus strammen jungen Männer besteht, die ihren Mann auch ohne besonderes Budo-Training stehen könnten. Eine der Nebenwirkungen dieses Vorsprungs an Größe und Kraft ist, dass sie im Gegensatz zu weniger gut ausgestatteten Aikidoka über große Reserven bei der Ausübung der Techniken verfügen. Viele der bekannten japanischen Sensei sind darüber hinaus recht kräftig (und auch übergewichtig). O-Sensei war als junger Mann und ist bis in seine Sechziger hinein sehr muskulös gewesen und nutzte dies bei der Entwicklung des Aikido durchaus.
Wenn man mit Anfängern spricht oder Leuten, die nicht direkt mit dem Aikido zu tun haben, neigt man (ich jedenfalls) dazu, hervorzuheben, dass "man für Aikido keine Kraft braucht". Dass es darum geht, "die Bewegung des Partners umzulenken" und "sein Gleichgewicht zu brechen". Ich denke dies ist ein Beispiel dafür, wie das Aikido "idealerweise" sein soll, wenn man über Jahre der Erfahrung verfügt und darüber hinaus ein ernsthafter Angriff abgewehrt werden soll. Aber ich habe noch keinen gesehen, der auf diesem Level begonnen hätte. Selbst viele japanische Sensei scheinen in ihren Würfen eher eine Mischung aus Kraft und Technik anzuwenden, mit wechselnden Anteilen. Man könnte sicherlich darüber streiten, aber ich glaube es ist schon nach kurzer Zeit möglich festzustellen, ob man durch gute Technik oder durch pure Kraft geworfen wurde.
Eine der Schwierigkeiten, der wir "Missionare" des Aikido begegnen, ist, dass wir wieder und wieder mit der manchmal beschwerlichen Aufgabe konfrontiert werden, diesen selbstgesteckten Erwartungen gerecht werden zu müssen.
Eine Lösung wäre, dass wir alle Bodybuilder werden und zu unseren Schüler geradewegs sagen: "Benutze die Techniken wenn's geht, aber wenn das nicht reicht, gib's ihnen!" Dieses Verhalten führt aber weit von dem fort, was der Gründer bei der Schaffung des Aikido im Sinn hatte, gemessen an seinen Worten: "Verteidige dich, während du Verantwortung für das Wohlergehen deines Angreifers übernimmst" - wahrlich ein hoher Anspruch.
Ich vermute es sind nur wenige unter uns, die nicht von Zeit zu Zeit von "physischer Kraft" fasziniert sind. Für einige mag dies sogar der eigentliche Antrieb des Trainings der Kunst [des Aikido] sein. Denkt man dies aber weiter, so ist das Aikido in letzter Konsequenz ein Fahrzeug, das uns über diese Entwicklungsstufe hinausführt, hin zu einem tieferen Verständnis der "wahren Kraft", ihrer Mühelosigkeit und Eleganz.
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